Der Club der tollen Frauen

220 Managerinnen helfen sich gegenseitig nach oben: Wie geht's an die Spitze? Und welcher Satz killt jede Karriere?

Von Bettina Weiguny

Macht fällt nicht vom Himmel, ein Vorstandsposten auch nicht. Es braucht schon das richtige Netzwerk dazu. Die Bedeutung solcher Zirkel für die eigene Karriere haben Frauen lange verkannt. Sie haben zugeschaut, wie Männer sich in ihren "old boys clubs" Geschäfte und Posten zuschusterten, während die weiblichen Kandidatinnen den Kürzeren zogen, wenn es etwas zu verteilen gab.

Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Topmanagerinnen bauen sich inzwischen ihre eigenen Machtzirkel auf. Zum Beispiel "Generation CEO". Es ist eines der einflussreichsten Netzwerke für weibliche Führungskräfte, gegründet vor dreizehn Jahren vom Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg. Er hätte es auch "Club der tollen Frauen" nennen können, aber das wäre womöglich zu selbstverliebt, zu aufschneiderisch gewesen. Thorborgs Idee damals war simpel: "In den kommenden zehn Jahren wird eine Frau an die Spitze eines Dax-Konzerns rücken", so war er überzeugt. Die passenden Kandidatinnen wollte der Headhunter vermitteln, somit hehre Idee und Geschäft miteinander verbinden. Damals wurde er von vielen belächelt.

Dreizehn Jahre später ist es so weit: An die Spitze von SAP, dem wertvollsten Dax-Konzern, tritt eine Frau. Zwar nur als Kopilotin, aber immerhin, sie wird nicht die Letzte bleiben, glaubt Thorborg. "Die Zeit ist reif für Frauen." Die passenden CEO-Kandidatinnen stehen parat. 220 Topmanagerinnen gehören dem exklusiven Club an, 80 von ihnen haben es bereits in den Vorstand geschafft, 30 lenken als CEO das Geschäft eines Unternehmens. Gemeinsam bringen sie es auf 150 Mandate in Aufsichts- und Verwaltungsräten. 14 Frauen stehen einem solchen gar vor. Geballte Frauenpower hat da zusammengefunden. Eine Erfolgsstory, zu groß, um weiter als Thorborgs One-Man-Show zu gedeihen.

Darum zieht sich der mittlerweile 75 Jahre alte Förderer zurück und entlässt das Frauen-Netzwerk in die Selbständigkeit. Die "Generation CEO" wird im Januar ein offizieller, eingetragener Verein mit amtlich bescheinigter Gemeinnützigkeit, wie es das deutsche Vereinswesen erfordert, an seiner Spitze steht ein fünfköpfiger Vorstand. Den Vorsitz übernimmt Catrin Hinkel, die beim Beratungsunternehmen Accenture den Geschäftsbereich Kommunikation, Medien und Technologie in der DACH-Region leitet. Im Netzwerk ist sie eine Frau der ersten Stunde, gehörte 2007 dem ersten Jahrgang der "Gen CEO"-Auserwählten an. Thorborg bleibt dem Club als Ehrenpräsident verbunden und treibt zugleich die Expansion nach China voran.

Das Startkapital für das Netzwerk hatte er sich seinerzeit in der deutschen Industrie zusammengeschnorrt. Eine Million Euro waren das. Zu den ersten Sponsoren gehörten Michael Otto vom Otto-Versand, Kasper Rorsted, damals Henkel-Chef, und Klaus Kleinfeld, zu dem Zeitpunkt Siemens-CEO. "Wir können und wollen künftig nicht mehr von Spenden leben", sagt jetzt die Vorsitzende Hinkel. "Der Verein muss sich selbst tragen." Da sage noch einer, Frauen können nicht netzwerken. Und wie sie das können! "Wir haben das nur lange Zeit zu wenig gemacht."

Der Zugang zum CEO-Club ist beschränkt. Ein Komitee wählt bis zu 20 Frauen pro Jahr aus. Wenn weniger den Kriterien entsprechen, erhalten auch mal weniger die Mitgliedschaft. Die Voraussetzungen sind strikt: Frau mit Potential für die Spitze, exzellente Ausbildung, Auslands- und Führungserfahrung. "Und ganz wichtig: Die Frauen müssen sympathisch sein", sagt Thorborg.

500 Euro Beitrag kostet der Spaß im Jahr, nicht billig, aber die Karriere ist es wert: Hier hilft man sich gegenseitig auf die Sprünge. Einmal im Jahr kommen alle zum Jahrestreffen zusammen, neulich war das in Kronberg, auf dem Accenture-Campus, zuvor bei Daimler und Bosch. Dazu organisieren Regionalgruppen Events, das Programm gestalten die Mitglieder selbst. "Wir finden reichlich Expertise zu allen relevanten Themen in unseren Reihen", sagt Hinkel. Das Wichtigste am Netzwerk ist das Vertrauen, das zwischen den Managerinnen entsteht. Die Spitzenfrauen haben ähnliche Probleme: Sie sind in ihren Sphären häufig allein unter Männern. Wenn sie sich mit anderen Frauen austauschen wollen, dann geht es nur außerhalb des Konzerns, im Bekanntenkreis oder eben im Club. Hier coacht die erfahrene CEO-Frau die jüngere. So hat Hinkel beispielsweise gelernt, dass es sinnvoll ist, bei einem künftigen Chef genau hinzuhören: "Hat der Mann Kinder, ist das gut. Hat er Töchter, ist das noch besser." Dann ist die Chance, dass er sich in die Sichtweise einer Frau hineinzuversetzen vermag am größten.

Denn zwischen Mann und Frau liegen Welten, auch im 21. Jahrhundert. "Wir haben einen anderen Umgang untereinander. Männer verhalten sich anders", sagt Hinkel. "Die Spielregeln müssen junge Frauen erst lernen." Dazu gehören Auftreten, Gang, Kleidung, Gesten. So steuert Hinkel, wenn sie als ranghöchste Beraterin zum Kunden kommt, gleich auf den Chef zu und setzt sich auf den besten Platz am Tisch. "Dann ist klar, dass ich nicht die Frau bin, die den Kaffee holt." Auf jeden Fall sollten Frauen im Vorstellungsgespräch auf den Satz verzichten: "Geld ist mir nicht wichtig." Das sei der häufigste Fehler von Frauen, weiß Headhunter Thorborg aus leidvoller Erfahrung. "Damit schießen Frauen sich direkt ins Aus."

In Sachen Sprache gibt es für Managerinnen sowieso viel zu lernen. Dinge kommen unterschiedlich an, erklärt Hinkel, je nachdem, ob sie ein Mann oder eine Frau sagt. Erzählt ein Mann, dass er früher weg muss, um die Kinder zum Fußball zu fahren, klinge das fortschrittlich: Der übernimmt Verantwortung zu Hause, kümmert sich um die Kinder, entlastet die Frau. "Alle denken dann: Cooler Typ." Kommt der Satz von einer Frau, signalisiere das den Kollegen hingegen: Die ist überfordert, bringt sich hier nur halb ein, will eigentlich nach Hause. "Das sind zwei komplett andere Narrative", sagt Hinkel, "Dessen müssen Frauen sich bewusst sein." Es gibt Topmanagerinnen, die daher die Gute-Nacht-Geschichte für die Kinder als "wichtige externe Termine" im Bürokalender eintragen.

Eine wichtige Regel lautet deshalb: Jede Managerin muss sich bewusst machen, in was für einem Umfeld sie arbeitet: In einem jungen Tech-Unternehmen in Berlin mag Diversität anders gelebt werden als in einem konservativen Vorstand in einer klassischen Männerdomäne, einem patriarchal-geführten Familienkonzern oder eben einer international agierenden Unternehmensberatung wie Accenture, die sich eine klare Diversity-Strategie verordnet hat. Der Anteil von Männern und Frauen soll bis 2025 im ganzen Unternehmen 50 zu 50 sein, seit kurzem führt eine Frau den Laden.

Nur was ist mit den gerade noch gefeierten Chefinnen, die nach oft kürzester Zeit wieder rausfallen? Kann frau vielleicht doch nicht so gut CEO? "Das liegt nicht am Geschlecht", sagt Thorborg. "Sondern daran, dass das Fehlbesetzungen waren." Das kommt auch bei Männern vor. "Wenn man Frauen mit aller Gewalt nach oben zieht, tut man ihnen wie dem Unternehmen keinen Gefallen."

Frankfurter Allgemeine
11/2019

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